Nr. 8 – Druckerei Gerken

Ein genaues Datum der Fertigstellung des Hauses Wittingsbrok 8 ist nicht dokumentiert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Haus – wie auch die Mehrzahl der anderen Häuser im vorderen Wittingsbrok – ab Sommer 1919 gebaut und Ende 1919 oder Anfang 1920 bezogen wird.
Die ersten Bewohner sind das Ehepaar Friedrich (genannt Fritz) Gerken und Marie Christine Gerken, geb. Eben. Der zu diesem Zeitpunkt 27jährige Schriftsetzer Fritz und die damals 30jährige Kassiererin Christine heiraten standesamtlich am 5. November 1919. Am 8. April 1920 wird die Tochter Christine geboren. Zu diesem Zeitpunkt wohnt das Ehepaar bereits im Wittingsbrok 8. 1926 wird der Sohn Rolf geboren.

Ob es in den 1920er Jahren noch weitere Bewohner des Hauses gibt, ist nicht belegt. Laut vorliegenden Kaufverträgen sind die Käufer der Siedlungshäuser verpflichtet (ab November 1919), eine Oberwohnung im Haus zu vermieten. Im Adressbuch des Jahres 1922 ist allerdings nur der Name Fritz Gerken aufgeführt. Dazu passt auch der Grundriss des Hauses, der im 1. Stockwerk 2 Schlafzimmer vorsieht, im Erdgeschoss keines.

Erdgeschoss
Grundriss 1. Stock

Wie auch in den anderen Häusern der Siedlung sehen bereits die Baupläne ausdrücklich eine Nutztierhaltung vor: In das Gebäude integriert befindet sich hinter der Waschküche ein Schweinestall (und zwischen Waschküche und Schweinestall der „Abort“).

Das älteste vom Wittingsbrok 8 vorliegende Foto datiert aus dem Jahr 1926 und zeigt die sechsjährige Christine Gerken mit Schultüte vor der Hausrückseite. Links hinter dem Mädchen ist hinter einem Zaun die Holzklappe zum Schweinestall zu sehen. Hinter dem Zaun befindet sich der Auslauf für das Schwein.

Christine 1926

Zu diesem Zeitpunkt (1926) gibt es hinter dem Haus noch kein weiteres gemauertes Gebäude. Das ändert sich jedoch bald: Zum 1. Oktober 1929 gründet Fritz Gerken die „Buch- u. Akzidenzdruckerei Fr. Gerken“. Diese befindet sich in einem großen Anbau hinter dem Haupthaus. Fritz Gerken beschäftigt in der Druckerei Gerken während der 30er Jahre 2-4 Mitarbeiter. Die Druckerei ist anfangs nur mit einer Druck- und einer Schneidemaschine ausgestattet. 1933 kommt eine weitere Maschine hinzu.

Druckereibelegschaft 1930er Jahre, links Ehepaar Gerken mit Sohn Rolf
Mitarbeiter und Christine Gerken in der Druckerei

Auch die Fläche zwischen Haupthaus und Anbau, (der vorherige Schweineauslauf) wird bebaut: Dort entsteht ein Badezimmer mit Toilette; im Haupthaus wird der Bereich des vorherigen Schweinestalls und des Aborts zu einem Eingangsflur.
Schweinestall und – Auslauf werden in hintere Bereiche des Gartens ausgelagert. Auf Fotos aus den 30er und 40er Jahren sind als weitere Haus- und Nutztiere auch ein Schaf und ein Hund zu sehen. Natürlich gibt es auch einen Hühnerstall und – im Grenzbereich zum Wittingsbrok 10 – einen großen Taubenschlag.

Im hinteren Bereich des Grundstückes wird (vermutlich Ende der 1930er Jahre) ein Holzgebäude als Gartenlaube errichtet und „Haus Christine“ benannt. Dieses Holzgebäude dient zunächst wohl vor allem als Rückzugsort für den jugendlichen Rolf Gerken und die junge Christine Gerken.

Am 19. Dezember 1942 heiratet die 22jährige Christine Gerken den 34jährigen Leutnant der Reserve Ernst Marquardt. Am 10. September 1943 wird der Sohn Jürgen Marquardt geboren. Die junge Familie wohnt im „Haus Christine“. Ein weiteres Kind, Brigitte, im Oktober 1944 geboren, lebt nur wenige Wochen. 1946 zieht die Familie Marquardt nach Nadorst. Der kleine Jürgen Marquardt verbringt allerdings auch in den Jahren nach dem Umzug noch viel Zeit im Wittingsbrok bei den Großeltern und beim Spiel mit den gleichaltrigen Nachbarskindern.

Christine Marquardt, geb. Gerken u. Ernst Marquardt
Auf Großvaters Schultern

Aus der Zeit von 1945 bis 1998 liegen keine Fotos vom Wittingsbrok 8 vor (die Fotos aus der Zeit bis 1945 stellte freundlicherweise Jürgen Marquardt zur Verfügung).

Am 1. Oktober 1949 übernimmt Rolf Gerken die alleinige Geschäftsführung der Druckerei Gerken. Sein Vater, der Druckereigründer Fritz Gerken, stirbt am 25. Februar 1952. Im Jahr 1962 beendet die Druckerei Gerken die Produktion allgemeiner Drucksachen und spezialisiert sich auf Etikettendruck. 1970 zieht die Druckerei Gerken vom Wittingsbrok auf einen größeres Firmengelände nach Etzhorn.

Christine Gerken stirbt am 3. April 1970.
Auch Rolf Gerken verlässt den Wittingsbrok. Grundstück und Gebäude gehen später in den Besitz des Ehepaares Slowinsky über (die im Nachbarhaus Wittingsbrok 10 wohnen). Der Anbau wird in eine Wohnung umgewandelt und das Haupthaus in 2 Wohnungen, so dass 3 Mietswohnungen entstehen, in denen in den folgenden fast 30 Jahren eine Reihe verschiedener Mieter wohnt, vor allem Studenten.

Mitte der 1990er Jahre wird das ca 1000 qm große Grundstück geteilt, und in der hinteren Grundstückshälfte (an der Straße „An der Kastanie“) errichtet das Ehepaar Slowinsky ein neues Wohnhaus. Das hat zur Folge, dass ein (kleiner) Teil des alten Anbaus zurückgebaut werden muss, damit der Anteil der bebauten Grundstücksfläche nicht zu groß ist.

1998 erwerben wir (Mechtilde Schwiertz und Hermann Niehuis-Schwiertz) das verbliebene Grundstück Wittingsbrok 8 mit dem alten Haupthaus und dem Anbau und ziehen – nach dem Auszug der Mieter (3 Mietswohnungen) – mit unseren Kindern Mitte Dezember 1998 ein.

Seitdem hat sich im Haus und auf dem Grundstück vieles verändert. Was das Grundstück und das Äußere betrifft, wird dies durch die folgenden Fotos deutlich.

1998
2019

1998
2019

Im Haus wird noch vor unserem Einzug eine neue Brennwerttherme installiert (statt der vorherigen 3 Gasthermen) und nach unserem Einzug als Erstes – im Frühjahr 1999 – das Badezimmer modernisiert, das sich bei unserem Kauf des Hauses noch im baulichen Zustand und der Badezimmerausstattung der 1940er Jahre befindet. Die anderen Räume werden gründlich renoviert.
Im Anbau (der früheren Druckerei) richte ich meine psychologische Beratungspraxis ein (die sich vorher in der Eike-von-Repkow-Straße befand), die „Praxis für Lebensberatung und Persönlichkeitsentwicklung“.
Im Sommer 2000 nehme ich eine Festanstellung in Wilhelmshaven bei „pro familia“ an, die in den folgenden Jahren immer mehr Arbeitszeit in Anspruch nimmt, so dass weniger Zeit für die „Praxis für Lebensberatung und Persönlichkeitsentwicklung“ zur Verfügung bleibt und ich die Praxis 2005 auflöse. Der Anbau wird wieder als Wohnung eingerichtet und ab 2007 vermietet. Die Kinder verlassen 2006 und 2007 das Haus, so dass wir fortan dort zu zweit wohnen
2011/2012 wird dann das Haus grundlegend saniert und das Erdgeschoss umgebaut, so dass wir endlich ein großes, helles Wohnzimmer bekommen.

2015 steht die Wohnung im Anbau für wenige Monate frei. Das nutzen Mechtilde und ich, um am 13. September 2015 dort und im Garten gemeinsam mit den „Wittingsbrokern“ Sabine Nier, Marlies Peters und Jürgen Steinfurth „Kunst und Kreativität im Wittingsbrok“ auszustellen.

Kurze Zeit nach der Ausstellung zieht wieder eine Mieterin in die Wohnung. Im Sommer 2018 übernimmt dann unsere Tochter die Wohnung, lässt den Anbau komplett um- und ausbauen und wohnt nun seit Herbst 2018 dort.
Autor: Hermann Niehuis-Schwiertz

Frontansicht 2019

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Die Vorderseite von Nr. 8
Quelle: In Oldenburg gedruckt, Isensee 1999, S. 109